Bundessozialgericht – wichtiges Urteil für Honorarärzte:
Nicht nur wichtig für das Sozialrecht, sondern auch für das Arbeitsrecht.
Das Bundessozialgericht hat am 04.06.2019 entschieden (Az.: B 12 R 11/18 R), dass die Beschäftigung von „freiberuflichen“ Ärzten als Honorarärzte an Kliniken unzulässig, ist, wenn sie dort nicht sozialversicherungspflichtig als Arbeitnehmer und damit als abhängig Beschäftigte tätig sind.
Warum hat das Bundessozialgericht so entschieden ?
Die Frage, ob jemand als freiberuflicher oder selbstständig arbeitender Auftragnehmer tätig ist, ist für das Sozialrecht in § 7 SGB IV geregelt. Demnach ist jemand als Arbeitnehmer versicherungspflichtig beschäftigt, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Ist derjenige in einem fremden Betrieb tätig, ist er dann als persönlich abhänigiger Arbeitnehmer anzusehen, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei dem Weisungsrecht des Arbeitgeber hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (BSGE 119, 216, 218; BSG, ZIP 2006, 678, 679 f.; NZS 2007, 648, 649 f.; Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R, Rn. 15; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 2015 – 1 StR 76/15, NStZ 2015, 648, 649, und vom 4. September 2013 – 1 StR 94/13, NStZ 2014, 321, 323; Diepenbrock NZS 2016, 127). Ausgangspunkt der Beurteilung ist dabei das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer „gelebten Beziehung“ erschließen lässt (vgl. BSGE 111, 257, 260; BSG, ZIP 2006, 678, 680; NZS 2007, 648, 650; jeweils mwN). Manche Tätigkeiten können sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch im Rahmen einer Selbständigkeit ausgeübt werden (BSGE 123, 50, 54; vgl. z. B. einerseits BSG, Urteil vom 31. März 2015 – B 12 KR 17/13 R und anderseits BSGE 120, 99 zum „Rackjobbing“; zur möglichen selbständigen Tätigkeit von Bühnenarbeitern BGH, Beschluss vom 24. Juni 2015 – 1 StR 76/15, NStZ 2015, 648). Die sozialversicherungsrechtliche Bewertung ist nicht von einem abstrakten Tätigkeitsbild, sondern von der konkreten Gestaltung der jeweiligen Tätigkeit abhängig (KassKomm/Seewald, SGB IV, 101. EL, § 7 Rn. 47b; vgl. auch Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Berchtold, SGB IV, 5. Aufl., § 7 Rn. 18).
Im vorliegenden Fall ist das BSG von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen, weil der betroffene Arzt, ein Anästhesist, in einem Operationsteam tätig war und entsprechend keine unabhängige Tätigkeit ausgeübt hat, die ihm selbst die Entscheidungsfreiheit eines Unternehmers gab. Dazu war die Entscheidung zu treffen,weil die Honorarärzte per se überwiegend personelle und sachliche Ressourcen des Krankenhauses bei ihrer Tätigkeit nutzen. Sind die tätigen Ärzte vollständig in den Betriebsablauf eingegliedert und ist bei Ihnen typischerweise kein unternehmerischer Entscheidungsspielraum gegeben spielt auch die Honorarhöhe als nur eines bei vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien keine ausschlaggebende Rolle.
Ein etwaiger Fachkräftemangel im Gesundheitswesen hat keinen nach Ansicht des BSG ebenso keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Versicherungspflicht. Sozialrechtliche Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht können nicht außer Kraft gesetzt werden, um eine Steigerung der Attraktivität des Berufs durch eine von Sozialversicherungsbeiträgen „entlastete“ und deshalb höhere Entlohnung zu ermöglichen
Jürgen Graser
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht